Selbstmordanschläge der IS-Terroristen in der kurdisch kontrollierten Stadt Kamischlie forderten mindestens 16 Todesopfer und 35 Schwerverletzte – Syrisch-orthodoxes Patriarchat verlangt Eingreifen der internationalen Gemeinschaft

crash-214744_960_720Damaskus – Die Christen in Syrien sind durch eine neue islamistische Terrorwelle im kurdisch kontrollierten Kamischlie in der Djazira zutiefst betroffen und erschüttert: Bei mehreren Bombenexplosionen in der Stadt südlich der syrisch-türkischen Grenze starben am Donnerstag mindestens 16 Menschen, 35 Schwerverletzte kämpfen noch um ihr Leben. Die örtlichen Krankenhäuser haben die Bevölkerung aufgerufen, Blut zu spenden, um den vielen Verletzten zu helfen. Die von IS-Terroristen verübten Selbstmordanschläge ereigneten sich in einem Cafe und zwei Restaurants im Stadtzentrum, die christlichen Eigentümern gehören und nahe der St. Ephrem-Kirche im christlichen Stadtteil Al-Wusta.

Die verschiedenen Kirchen der syrischen Tradition in Kamischlie – und in der ganzen Provinz Hassake – haben im Gedenken an die Opfer der jüngsten Terrorwelle die Silvester/Neujahrsfeiern abgesagt.  In einer Erklärung der ökumenischen Organisation der Kirchen der syrischen Tradition heißt es: „Wir haben den Silvesterabend dem Gebet für die Opfer dieser Anschläge gewidmet. Wir beten für unsere Region zwischen Euphrat und Tigris und für das ganze Syrien in diesem blutigen Krieg, der jeden Tag das  Leben von Zivilisten fordert“.  Einer der Sprecher der Organisation in Kamischlie, P. Toni Hannah, verurteilte den Terror und appellierte an die Bewohner der Djazira, Menschenansammlungen auf öffentlichen Plätzen zu meiden, „damit es nicht noch zu mehr Opfern kommt“.  Er hoffe, dass 2016 nach den Jahren des Blutvergießens der Djazira und ganz Syrien den Frieden bringen werde.

Die Terroristen zerstören die Häuser der „Kinder Gottes“

In einer Erklärung des syrisch-orthodoxen Patriarchats in Damaskus wurden die „Verbrechen der Terroristen in Kamischlie“ scharf verurteilt und sofortiges Eingreifen der internationalen Gemeinschaft zum Schutz der Menschen vor Terror und Selbstmordattentaten gefordert. Die verbrecherischen Hintermänner müssten ausgeforscht und gerechter Bestrafung zugeführt werden. Wörtlich heißt es in der Erklärung: „In unserem geliebten Kamischlie weinen die alten Menschen, die jungen verlieren die Hoffnung, den Kindern wird die Freude genommen“.  Menschen aus allen Religionsgemeinschaften der Stadt seien vom „ungerechten Terror“ getroffen, nur „weil sie gute Bürger sind, die ihr Land lieben und loyal zu ihm stehen“.  Die Terroristen versuchten als „Feinde der Menschheit“ überall im Nahen Osten die Häuser der „Kinder Gottes“ zu zerstören und diese in die Irre zu führen.  Im Hinblick auf die Terroristen stellte das Patriarchat fest: „Welchem Götzen folgen sie? Sie benützen Blut, Abschlachten und Töten, um ihrem Götzen zu gefallen. Wo bleiben die Menschen mit gutem Gewissen, um gegen diese feigen Anschläge aufzutreten? Es ist Zeit, vom Schlaf aufzustehen, um alles zu tun, um die Menschen der Region, die nur in ihrer Heimat in Frieden leben wollen, vor diesem Unheil zu schützen. Alle Formen von Terrorismus und Extremismus müssen kollektiv bekämpft werden“.

Würdige Enkel der Märtyrer des Völkermordes

Die Christen von Kamischlie hätten stets ein großartiges Beispiel von Bürgerbewusstsein und Vaterlandsliebe geliefert, heißt es in der Erklärung weiter. Sie seien würdige Enkel der Märtyrer des Völkermordes („sayfo“), der ab 1915 von der damaligen osmanischen Regierung an den Christen syrischer Tradition im heutigen türkisch-syrischen Grenzgebiet angerichtet wurde:  „Diese Christen haben die Demütigung und Unterwerfung zurückgewiesen und keinen ‚Ersatz‘ für ihre Heimat akzeptiert. Die terroristischen Attacken werden auch die heutigen Nachfahren dieser Christen nicht von ihrer Heimat trennen und sie entwurzeln können, so blutig die Anschläge auch sein mögen“.

„Wir verurteilen diese feigen Terroranschläge auf das Schärfste. Gerade in dieser Zeit treffen sie die Christen in Syrien tief ins Mark. Viele Aramäer hier in Deutschland haben Verwandte und Freunde verloren. Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen der Opfer und Verletzten“, erklärte am Freitag  Daniyel Demir, Vorsitzender des „Bundesverbandes der Aramäer in Deutschland“. Die Selbstmordanschläge in Kamischlie geben – so Demir – „Anlass zu größter Sorge auch mit Blick auf die Aramäer auf der türkischen Seite der Grenze im Tur Abdin“. Die Terroranschläge in Kamischlie hätten sich gezielt auf bekannte und sehr belebte Einrichtungen aramäischer Inhaber gerichtet.

Hintergrundinformation über die Stadt Kamischlie

Kamischlie wurde 1926 im damaligen französischen Mandatsgebiet von Christen aus Südostanatolien gegründet, die vor dem Völkermord an ihrer Gemeinschaft im Osmanischen Reich geflüchtet waren. In der Stadt mit zirka 180.000 Einwohnern lebten bis vor kurzem etwa 40.000 aramäische Christen, mittlerweile ist bereits mehr als die Hälfte geflohen. (poi)