Oberin des Klosters St. Thekla und ihre Nonnen wurden von den Milizionären als Geiseln genommen – Islamisten gehen systematisch gegen die christlichen Bergstädte vor

Damaskus, 02.12.13 – Das christliche syrische Städtchen Maalula – in dem auch heute noch die Sprache Jesu, das Aramäische, gesprochen wird – ist am Samstag neuerlich von radikalen islamistischen Milizionären besetzt worden. Vor der Besetzung sollen die Waisenmädchen und die jüngeren Nonnen aus dem orthodoxen Kloster St. Thekla in Sicherheit gebracht worden sein. Die Oberin, Mutter Pelagia Sayyaf, und die älteren Nonnen wollten ausharren, wurden aber von den Milizionären – die der durch zahlreiche Gräueltaten hervorgetretenen „Jabhat al-Nusra“ angehören – als Geiseln genommen.  Zugleich hätten die Milizionäre – teils junge Ausländer, teils junge Burschen ohne Schulbildung – begonnen, das aus der Antike (5./6. Jahrhundert) stammende Kloster zu zerstören. Die syrische Sozialministerin Kinda al-Shammat appellierte an die internationale Gemeinschaft,  auf jene Staaten Druck auszuüben, die mit den islamistischen Milizionären im Bund stehen, um die Freilassung aller „von den Terroristen gefangen genommenen Geiseln“ zu erreichen.

Vor Maalula hatten die Islamisten auch die Kleinstadt Deir Atieh nördlich von Damaskus in ihre Gewalt gebracht. Wie griechisch-orthodoxe Quellen der vatikanischen Nachrichtenagentur „Fides“ berichteten, gelang es den Islamisten am 22. November, die Stadt unter ihre Kontrolle zu bringen. Sie drangen in das öffentliche Krankenhaus ein und nahmen die Patienten in Geiselhaft. Das Museum mit seinen zahlreichen archäologischen Funden und kostbaren Werken wurde verwüstet, Moscheen und Kirchen beschädigt. Viele Privatwohnungen wurden geplündert und Zivilisten als menschliche Schutzschilder benutzt.

Viele der rund 25.000 Einwohner wollten fliehen. Doch die – möglicherweise unter Drogeneinfluss stehenden – islamistischen „Kämpfer“ kontrollierten die Ausweise derer, die aus der Stadt weg wollten und hielten diejenigen fest, die einen christlichen Namen haben. In Deir Atieh hatten auch Hunderte Einwohner des rund 90 Kilometer von Damaskus entfernten Bergdorfes Qara Zuflucht gesucht, das ebenfalls von islamistischen „Kämpfern“ überfallen worden war. Unter den Flüchtlingen aus Qara befindet sich auch der griechisch-katholische Priester George Louis mit seiner Gemeinde. George Louis berichtete im Gespräch mit „Fides“: “Maalula, Sednaya, Sadad, später Qara und Deir Atieh, und nun Nebek: bewaffente Jihadisten gehen überall gleich vor, sie nehmen einen Ort ins Visier, fallen ein, morden, stecken die Häuser in Brand und zerstören alles. Für Zivilisten, Christen und Nichtchristen, wird das Leben zunehmend schwieriger. Die ausländischen Milizen handeln unabhängig von der syrischen Opposition der Freien Syrischen Armee (FSA)“. P. Louis verwies insbesondere auf die Ereignisse in der Zeit zwischen dem 16. und 20. November in Qara. Seit Monaten herrschte im Dorf ein “Status Quo” unter einer “halbautonomen” Verwaltung im stillen Einvernehmen zwischen der FSA und der regulären Armee. Es gab keine Gefechte, obschon die Stadt von der FSA kontrolliert wurde. Der Staat sorgte weiterhin für die Strom- und Wasserversorgung und staatliche Dienstleistungen. Die Lage sei aus dem Gleichgewicht geraten, als “am 16. November, über 3.000 Jihadisten aus dem sunnitischen Dorf Arsal, einer Hochburg der bewaffneten Gruppen,  in das Dorf einfielen und es in ein Schlachtfeld umwandelten. Die Soldaten der FSA, die sich in der Minderheit befanden, zogen sich zurück. Die Einwohner ergriffen die Flucht. Rund 6.000 Bürger suchten umgehend Zuflucht in benachbarten Dörfern”.

Doch die christliche Glaubensgemeinschaft in Qara, deren Mitglieder vorwiegend in der Altstadt wohnten, wollte die Stadt nicht verlassen. P. Louis: “Es wurden Raketen auf Häuser abgefeuert und in den Straßen wurde geschossen. Mit rund 35 christlichen Familien haben wir uns in der Kirche versteckt, um dort zu beten. Auch die Pforte der Kirche wurde unter Beschuss genommen und aufgebrochen. Maskierte ‚Kämpfer’ drangen ein, bei denen es sich nicht um Syrer handelte und es war nicht zu erkennen, welcher Nationalität sie waren. Sie drohten: wir bringen euch Christen alle um! Und wir werden diesen götzendienerischen Ort abfackeln ”. Einer der Gemeindemitglieder, Emile, sprach darauf hin mit dem Anführer der Gruppe und zitierte Verse aus dem Koran, wobei er betonte, dass der Islam Christen und andere Minderheiten respektiere. “Der Mann wollte seinen Befehlshaber fragen, was er mit uns machen solle, und verließ mit seinen Leuten das Gebäude”, so George Louis. So konnte der Priester mit seinen Gläubigen die Kirche verlassen und in die Altstadt fliehen und sich dann anderen Flüchtlingen anschließen, die in das Städtchen Der Atieh aufgebrochen waren. Bei der Ankunft wurden sie dort von den einheimischen Christen herzlich empfangen. Doch auch Der Atieh sollte zur Zielscheibe von Jihadisten werden.

P. Louis berichtete über die Tage danach: “Wir haben uns vier Tage und vier Nächte in Kellern versteckt gehalten, ohne Wasser, Lebensmittel und Strom …Nach einer weiteren durchbeteten Nacht haben wir uns zur Flucht entschlossen. Um 5 Uhr morgens ist es uns gelungen. Nach einem sechsstündigen gefährlichen Fußmarsch kamen wir in Sadad an, eine Stadt, die ebenfalls verwüstet worden war. Der syrisch-orthodoxe Erzbischof Silwanos Boutros Alnemeh und die Gläubigen waren in die Stadt zurückgekehrt und empfingen uns dort sehr herzlich“.  Bei den sogenannten „Kämpfern“ handle es sich um Extremisten aus dem Ausland, die nur Hass und Gewalt und verbreiten wollen und dabei unterschiedslos alles zerstören ohne jeglichen Respekt gegenüber Zivilisten, betonte der griechisch-katholische Priester: „Sie gehören nicht zur FSA. Uns bleibt nur das Gebet. Trotzdem durften wir auf der Flucht stets auf wunderbare Weise die Solidarität zwischen katholischen und orthodoxen Christen erfahren”.(poi)