Riad – Es ist ein historischer Besuch gewesen: Der maronitische Patriarch des Libanon, Kardinal Béchara Boutros Rai, war in Saudi-Arabien – auf offizielle Einladung der Führung in Riad. Der Besuch des Kardinals ist nicht nur in politischer, sondern auch in interreligiöser Hinsicht als historisch zu betrachten.

Saudi-Arabien ist ein streng sunnitisches Königreich, es hütet die heiligen Stätten des Islam – Mekka und Medina – und verbietet die Ausübung anderer Religionen auf seinem Territorium. Selbst das Zeigen von Kreuzen oder der Besitz einer Bibel steht unter Strafe. Umso bemerkenswerter jetzt die Einladung an Kardinal Rai. Sie ist eines der Zeichen der Öffnung, wie sie sich seit einiger Zeit häufen.

Saudischer König empfängt christliche Geistliche – alle mit sichtbarem Brustkreuz 
Der Beiruter Patriarch traf Mitte November mit König Salman zusammen. Dabei trugen er und einige Geistliche, die ihn begleiteten, gut sichtbar ihre Brustkreuze. (Saudische Zeitungen brachten übrigens dieses Bild auf der Titelseite, s. Foto oben). Auch der umtriebige Kronprinz Mohammed bin Salman hat Rai empfangen. Der 32-jährige Sohn des Königs steht hinter den radikalen Reformen im Land, allerdings auch hinter der Ausschaltung politischer Gegner, hinter dem Krieg im Jemen und, wie viele glauben, hinter der Verschärfung der politischen Spannungen im Libanon.

Mit König Salman hat der Patriarch nach Angaben der saudischen Nachrichtenagentur über religiöse Toleranz und den Kampf gegen Extremismus gesprochen. Vor allem der letzte Punkt interessiert die Saudis: Sie sind besorgt über den Aufstieg Irans in der Region und wollen verhindern, dass die mit Iran verbündete Hisbollah-Miliz im Libanon immer mächtiger wird. Dazu suchen sie nun bei der zahlenmäßig starken christlichen Gemeinschaft des Libanon (rund 10% der Gesamtbevölkerung, Anm.) Verbündete.

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Interreligiöser Dialog zur Überwindung der Gräben
Der frühere libanesische Abgeordnete Fares Souhaid – ein „panarabisch“ eingestellter maronitischer Politiker, der wesentlich zum Zustandekommen der Visite des Kardinal-Patriarchen in Saudiarabien beigetragen hat – betonte im Gespräch mit Journalisten, beim Besuch Rais in Riad sei es in erster Linie um den christlich-islamischen Dialog im Weltmaßstab gegangen. Die Bedeutung des Besuchs des maronitischen Patriarchen liege darin, dass sie der christlich-islamischen Koexistenz in der Region und der Überwindung der von den Extremisten aufgerissenen Gräben diene.

P. Rai: „Unser Treffen hat eine Tür geöffnet.“
Am Ende seines Riad-Aufenthaltes ließ der Patriarch durchblicken, dass sich Prinz Mohammed eine Politik der Öffnung gegenüber den Religionen und Kulturen wünscht. „Ich hatte ein Memorandum mit Fragen zur Religionsfreiheit präsentiert und in diesem Kontext auch die Rolle des Wiener Köng-Abdullah-Dialogzentrums (KAICIID) angesprochen“, so Rai gegenüber Radio Vatikan. „Unser Treffen in Riad hat eine Tür geöffnet, um in Fragen der Religionsfreiheit weiterzukommen. Fragen der Politik sollte man da zunächst zurückstellen, denn das Klima war sehr gut. Und dort versuchen wir jetzt weiterzumachen.“

Eine Konsequenz des Rai-Besuchs in Riad werde daher die mögliche Gründung eines internationalen Zentrums für den interreligiösen Dialog in Saudi-Arabien sein, in dessen Rahmen Streitfragen behandelt werden können. Der Patriarch ist nach seinem aufsehenerregenden Saudiarabien-Besuch direkt nach Rom gereist, wo er im Gespräch mit Papst Franziskus und der römischen Kurie die für den christlich-islamischen Dialog wichtigen Informationen darlegen wird.
(afp/rv/poi)