Pressekonferenz in Wien von 20 Organisationen zum „Tag der Menschenrechte“ – Islamischer Religionspädagoge Aslan: Zeitgemäße Interpretation der zentralen Schriften des Islam wäre dringend gefordert

Wien – KAP – Die gegenwärtige und zuvor in diesem Ausmaß nie dagewesene Christenverfolgung in vielen islamischen Ländern kann nur über eine inner-islamische Neuausrichtung der vorherrschenden Theologie beendet werden. Das betonten Vertreter christlicher Organisationen und der österreichische islamische Religionspädagoge Ednan Aslan am Mittwoch bei einem Pressegespräch in Wien.

„Solange Juden und Christen als minderwertig angesehen werden, solange wird auch die Christenverfolgung in islamischen Staaten nicht enden“, kritisierte Aslan. Dringend gefordert sei deshalb eine zeitgemäße Interpretation der zentralen Schriften des Islam, betonte Elmar Kuhn, Generalsekretär von „Christian Solidarity International/Österreich“ (CSI).

Die aus 20 Menschenrechtsorganisationen bestehende ökumenische Plattform „Solidarität mit verfolgen Christen“ hatte anlässlich des Tags der Menschenrechte der Vereinten Nationen am Mittwoch zur Pressekonferenz geladen. Auf die dortige Diskussion folgte am späteren Nachmittag ein Fackelzug von der Oper zum Stephansdom, um gegen die weltweite Christenverfolgung zu demonstrieren.

 Islamische Theologie, so wie sie heute etwa an Fakultäten in Saudi-Arabien aber auch vielen anderen islamischen Ländern gelehrt werde, biete direkte Anknüpfungspunkte für Terrormilizen, um ihre Vertreibungen und ihr Morden zu rechtfertigen. Die Gräueltaten etwa der Organisation „Islamischer Staat“ (IS) zu verurteilen, die dahinter stehende Lehre aber unangetastet zu lassen, genüge nicht, richtete Aslan klare Worte an Islamgelehrte.

 Zugrunde liege dieser Theologie eine Interpretation der heiligen Schriften, die auf der Gesellschaftsstruktur des 7. Jahrhunderts beruhe. Enthauptungen, Steinigungen oder die Geringschätzung Andersgläubiger seien damals gesellschaftlich akzeptiert gewesen.

 Ähnliches gelte aber auch für das Alte Testament der Bibel. Knackpunkt sei deshalb nicht die „Verteufelung“ der Schriften, sondern ihre zeitgemäße Interpretation, die der Lebensrealität des 21. Jahrhunderts entsprechen müsse. Man könne nicht alles, was im Koran steht, „eins zu eins als Wort Gottes verkaufen“.

 Direkt davon betroffen sei auch der interreligiöse Dialog. „Dort wo Radikalisierung und Gräuelpropaganda betrieben wird, hat Dialog keinen Platz“, betonte CSI-Generalsekretär Kuhn.

 Eine zentrale Stellung komme dem Faktor Bildung zu. Es müsse aber eine Bildung in die richtige Richtung sein, forderte Aslan. In vielen islamischen Ländern liege das „Prinzip der Angst“ den Bildungssystemen zugrunde, die die „Unmündigkeit der Bürger unterstützt und ihre Mündigkeit verhindert“.

 CSI-Generalsekretär Kuhn verwies in diesem Zusammenhang auf die entscheidende Rolle Europas. „Wir müssen in Europa einem solchen innerislamischen Dialog Geburtshilfe leisten. Denn wir leben hier in Freiheit und haben die Möglichkeiten dazu, kritisch nachzufragen und so Impulse in die arabische Welt zu schicken.“

 In dieselbe Kerbe schlug auch Aslan: „Die Freiheit, die Muslime in Europa genießen, nimmt sie in die Pflicht, sich auch für die Freiheit von Christen in islamischen Ländern einzusetzen.“ Von Europa aus könnten wichtige Impulse in die islamischen Länder gehen. Schließlich gehe es auch um die Zukunftsfähigkeit des Islam in einer modernen Welt.

 Aslan zeigte sich davon überzeugt, dass ein zeitgemäßer Islam in der Lage sei, einen aktiven Beitrag zum Frieden in Europa zu leisten. Eine Theologie wie sie jetzt aber betrieben werde, könne in einem demokratischen Europa nicht überleben, so Kuhn.

100 Millionen Christen schwer benachteiligt

 Kurt Igler von der christlichen Organisation „Open Doors/Österreich“ verwies auf Motoren für Christenverfolgungen. Triebkräfte seien heute islamischer Extremismus, religiös begründete Aggressionen, die Angst totalitärer Regime, radikaler Säkularismus, systematische Korruption oder kommunistische Unterdrückung. Christen stellten heute etwa drei Viertel aller aufgrund ihrer Religion Verfolgten, ca. 100 Millionen von ihnen erlitten schwere Benachteiligungen oder Verfolgung. Zehntausende Christen würden jährlich ihres Glaubens wegen getötet.

 Johann Marte, Präsident der Stiftung „Pro Oriente“ stellte die Frage nach der Zukunft der Christen in islamischen Ländern und verwies dabei auf Statements des chaldäischen Patriarchen Louis Raphael I. Sako, der immer wieder von Raub, Entführungen, Vergewaltigungen, Sklaverei und Morden berichtet. „Während die christlichen Vertreter die vernichtenden Auswirkungen der Tragödie auf die christliche Bevölkerung beschreiben, scheinen den muslimischen Vertretern die negativen kulturellen und gesellschaftlichen Folgen eines vom Christentum entleerten Orients allmählich bewusst zu werden.“

 Herbert Rechberger von „Kirche in Not“ verwies auf Möglichkeiten, das Leid bedrängter Christen zu mindern. An oberster Stelle stehe die Informationsweitergabe. Das Schicksal bedrohter Christen dürfe nicht ignoriert oder vergessen werden. Unerlässlich sei außerdem materielle Hilfe und das Gebet. „Kirche in Not“ stellte kürzlich vier Millionen Euro für die Unterstützung von Flüchtlingen aus dem Irak und Syrien zur Verfügung.

 Diskriminierung in Europa

 Die Diskriminierung von Christen in Europa nahm schließlich Martin Kugler von der „Beobachtungsstelle zur Diskriminierung von Christen“ (OIDAC; www.intoleranceagainstchristians.eu) in den Blick. Der Begriff „Christenverfolgung“ treffe für westliche Staaten nicht zu, aber auch in europäischen Ländern gebe es dramatisch viele Fälle von Vandalismus gegen Kirchen und zunehmend auch rechtliche Einschränkungen für praktizierende Christen, so Kugler. Schon 2013 veröffentlichte das in Wien ansässige Archiv in einem europaweiten Beriecht 41 Fälle nationaler Gesetzgebung, die für Christen nachteilige Auswirkungen haben.

 Auch die parlamentarische Versammlung der OSZE habe bereits im Juli 2011 empfohlen, eine „öffentliche Debatte zu Intoleranz und Diskriminierung gegen Christen anzustoßen und das Recht von Christen zur uneingeschränkten Teilnahme am öffentlichen Leben zu garantieren“. Man fordere, „dass angesichts der Diskriminierung und Intoleranz gegenüber Christen die Gesetzgebung in den Mitgliedsstaaten evaluiert wird“.


(Dieser Text stammt von der Webseite http://www.kathweb.at/site/nachrichten/database/66617.html
des Internetauftritts der Katholischen Presseagentur Österreich.)