Viele Christen mussten in den letzten Jahren wegen Verfolgung ihr Land verlassen, viele davon aus der Wiege des Christentums. Einigen geht es auch in Deutschland nicht viel besser: die Bedrohung von Christen durch radikale Muslime wurde leider importiert und breitet sich nun in einigen Flüchtlingsheimen aus. Die meisten Fälle von Verfolgung durch Muslime in Asylbewerberheimen werden verschwiegen oder als Einzelfälle heruntergespielt, die es keineswegs sind. Paulus Kurt, Leiter des Arbeitskreises Flüchtlinge des ZOCD (=Zentralrates Orientalischer Christen in Deutschland, Anm.) analysiert  Konsequenzen und Hintergründe dieses heiklen Phänomens.

Herr Paulus Kurt, Die Zukunft des Christentums in Nahost sah wohl noch nie so düster aus, weswegen sich Massen ihrer Glaubensbrüder und – schwestern auf den Weg zu uns nach Europa machen. Wie sind Sie dazu gekommen sich für Flüchtlinge zu engagieren?

Paulus Kurt: Mit Blick auf die aktuelle Entwicklung war es lange vorher klar, dass die Christen zwischen die Fronten geraten und viele von ihnen nach Europa fliehen würden. Ich wollte in dieser schwerwiegenden Angelegenheit diese Menschen nicht alleinlassen.

Nun haben Sie kürzlich öffentlich gesagt, dass Christen aus dem Nahen Osten sogar in Deutschland Angst haben müssen. Sie werden in den Unterkünften, in denen sie die ersten sechs Monate nach der Aufnahme in Deutschland verbringen müssen, von radikalen Muslimen bedrängt…

Das Problem gibt es in Deutschland schon länger. Dort, wo Christen mit Muslimen zusammenleben müssen, machen sie häufiger solche Erfahrungen. Eine irakische Familie in Freising hat es vor zwei, drei Jahren in der Unterkunft wegen des Mobbings nicht mehr ausgehalten und ist freiwillig wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Mir war klar, als so viele Flüchtlinge letzten Sommer kamen, dass diese Menschen wieder zusammen untergebracht werden und diese Probleme erneut auf uns warten. Aus diesem Grund habe ich im Juli vorigen Jahres andere Christen mobilisiert und einen Unterstützerkreis bei mir in der Nähe (Landkreis Freising nahe München, Anm.) gegründet. Kaum hatte ich das bewerkstelligt, erreichten mich die ersten Anfragen. Das war letzten August. Der Unterstützerkreis ist dann bundesweit ausgedehnt worden, um in ganz Deutschland diesen Menschen Hoffnung zu geben. Viele engagieren sich für den Zentralrat. Die meisten Unterstützer kennen die Flüchtlingsproblematik aus der eigenen Familie.

Haben Sie damals die Behörden alarmiert? Wie haben die reagiert?
Unser erster Kontakt waren die Heimleitungen, um auf das Problem hinzuweisen. Wir haben zunächst einmal gefragt, inwiefern sie informiert sind. Diese haben oft versucht, das zu beschönigen und argumentiert, dass es dort so beengt sei. Wir haben die Menschen weiter betreut und bei dem einen oder anderen gesehen, dass die Wirklichkeit noch dramatischer war als ihre Schilderung. Wir haben dann mit Behörden Kontakt aufgenommen, auch Politiker darauf hingewiesen. Doch wir bekamen kaum Unterstützung. Wir haben darauf vertraut, was uns gesagt wurde: Deutschland ist ein säkularer Rechtsstaat. Für die Behörden stand fest, dass alle Menschen, die hier Schutz suchen, miteinander zurechtkommen und in Frieden miteinander leben müssen. Es wurde aber keine Lösung vorgeschlagen, wie sie das machen sollen. In den meisten Fällen fehlt den Mitarbeitern in den Behörden das kulturelle und geschichtliche Hintergrundwissen.

Was haben Sie als Hilfe erwartet?
Wir wünschen uns, dass auch die Behörden das Problem wahrnehmen und sich ernsthaft damit beschäftigen. Und dass sich endlich etwas ändert. Christen sind unter den Flüchtlingen auch in der Minderheit. Als Betroffene Anzeige erstattet haben, wurde nichts unternommen oder die Verfahren dauerten zu lang. Die Menschen hatten schließlich Angst um ihr Leben. Das erste Problem bestand darin, dass hinterher Aussage gegen Aussage stand. Das Zweite war der Umstand, dass die Dolmetscher, die der islamischen Religion angehörten, oft zu den Beschuldigten gehalten haben. Ich kenne Aussagen, denen zufolge Dolmetscher auf dem Weg zur Polizei oder vorher schon die Christen bedrängt haben und gesagt haben sollen: „Wenn du Anzeige erstattest, kannst du deinen Asylantrag vergessen.“ Ich habe sehr oft mitbekommen, dass Anzeigen zurückgezogen wurden, weil die Christen bedroht wurden.

Sind diese Vorgänge den Behörden bekannt?
Die Gespräche, die wir mit ihnen geführt haben, ergaben, dass sie nichts weiter tun können, wenn keine Anzeige vorliegt. Auch die Fälle, die angezeigt wurden, haben viel zu lange gedauert. Außerdem haben die Christen durch die Erstattung der Anzeige in ihren Unterkünften noch mehr Druck bekommen. Das geschah nicht nur durch die Beschuldigten, sondern auch von größeren Gruppierungen. Wir haben in einigen Heimen gesehen, dass dort unter den Sicherheitskräften sogar Salafisten arbeiteten. Sie sind auf die Christen losgegangen und drohten: „Ihr traut euch uns anzuzeigen – das wird ein Nachspiel haben!“

Was stellen Sie sich denn als Lösung des Problems vor?
Eine Lösung wäre, wenn man bei der Registrierung gleich auch die Religionszugehörigkeit erfassen würde. Innerhalb weniger Monate kamen aber mehr als eine Million Menschen nach Deutschland, die in kurzer Zeit untergebracht werden mussten, wo sie sich auch länger aufhalten können. Ich habe im Raum München mehrere Unterkünfte besucht, um zu sehen, wie die Lage aussieht. Ich habe gesehen, wie sieben unterschiedliche Menschen in einem einzigen Raum von 22 Quadratmetern zusammenleben müssen, bis sich ihre Wege wieder trennen. Diese Menschen, die sich oftmals bereits in ihren Heimatländern der Willkür des Staatsapparates und radikaler Muslime ausgesetzt sahen, sind vor einem Religionskrieg geflohen und sollen hier nun wieder mit genau diesen Menschen zurechtkommen. Ich habe aber auch in München Heimleiter gesprochen, die gesagt haben, dass es für sie wichtig ist, wer welche Identität hat, woher er kommt oder welcher Religion er angehört, damit er das in der Unterkunft berücksichtigen kann. Und tatsächlich gab es in dieser Unterkunft fast gar keine Probleme.

Wenn von einem konfliktreichen Nebeneinander ausgegangen werden muss: Was sind die Hintergründe dafür?
Ein Grund unter anderem ist der Umstand, dass sich in manchen Heimen inzwischen schon radikalislamische Gruppierungen gebildet haben und sich dort ausbreiten.
Dadurch wird das Vertrauen in den Rechtsstaat, in den diese Flüchtlinge ihre Hoffnung setzten, erschüttert…Der Rechtsstaat, auf den die Christen vertraut haben, hat in diesen Heimen nicht funktioniert. Es waren die Verkehrten, die das Recht durchsetzen und die Minderheiten schützen sollten. Sie müssen sich vorstellen, dass sich unter 400 bis 500 Menschen vielleicht vier oder fünf Christen und ein paar Angehörige anderer Minderheiten befinden. Der Stärkere hat da mehr zu sagen – genauso wie im Orient.

Was ist Ihr Rat an die Flüchtlinge?
Unser Rat ist immer: Im Fall von Übergriffen, ob Körperverletzungen oder Belästigungen, sich am Rechtsstaat zu orientieren. Sie müssen wieder darauf vertrauen können, indem sie sehen, dass sie nicht mit weiteren Schikanen rechnen müssen. Dann verschwindet auch ihre Angst.

Und Ihr Rat an die Politik?
Die Politiker sollten über diese Fälle offen und ehrlich sprechen! Ihre Aufgabe ist es, die Rechtsstaatlichkeit von Anfang an auch in den Asylbewerberheimen durchzusetzen.
(Auszüge aus einem Interview von Michaela Koller, am 6./7. Juni 2016 von der Nachrichtenagentur Zenit veröffentlicht.)