Syrien/Irak, Situation in Nigeria, armenischer Genozid waren Schwerpunkte

Wien – Die Solidarität mit den verfolgten Christen vor allem im Nahen Osten und in Afrika bildete am Freitag einen zentralen Akzent bei den Wiener Veranstaltungen zur 11. „Langen Nacht der Kirchen“. Bereits um 17.15 Uhr setzte sich am Stephansplatz der große „Schweigemarsch für die verfolgten Christen“ in Bewegung. Geleitet wurde der Schweigemarsch der österreichischen Sektion von „Christian Solidarity International“ (CSI) von Kardinal Christoph Schönborn, Metropolit Arsenios (Kardamakis), Weihbischof Franz Scharl, dem griechisch-katholischen Generalvikar Yuriy Kolasa, dem armenisch-apostolischen Patriarchaldelegaten P. Tiran Petrossian und weiteren Spitzenrepräsentanten der christlichen Kirchen. Ziel des Schweigemarsches war die Augustinerkirche, die ihr gesamtes Programm zur „Langen Nacht der Kirchen“ dem Thema „Christenverfolgung heute“ gewidmet hatte.

Schönborn: „Wir beten auch für die Verfolger“

Kardinal Schönborn sagte vor dem Stephansdom; „Wir beten für die verfolgten Christen, aber wir beten auch – so wie es Christus vorgelebt hat – für die Verfolger“. Die Verfolger meinten, im Namen der Religion zu handeln, obwohl alles, was sie tun, „der Religion widerspricht“. Metropolit Arsenios betonte, es sei zutiefst traurig, dass Christen „verfolgt und getötet werden, weil sie an Christus glauben“. Vor der Dreifaltigkeitssäule am Graben und auf dem Josephsplatz wurde Station gemacht. CSI-Generalsekretär Elmar Kuhn erinnerte an das Glaubenszeugnis der 21 koptischen und der 28 äthiopischen Christen, die von IS-Terroristen in Libyen ermordet worden sind. Wörtlich sagte Kuhn: „Wir wünschen uns von den Muslimen in Europa, dass auch sie gegen das Islamverständnis des IS auf die Straße gehen“. Kardinal Schönborn erinnerte an die „beeindruckende Glaubenstreue“ der libyschen Märtyrer, die auf den „erschütternden Videos“ ihrer Ermordung sichtbar geworden sei.

Die zwei Bischöfe aus Aleppo sind nach zwei Jahren immer noch spurlos verschwunden

Vor dem Stephansdom, vor der Dreifaltigkeitssäule und auf dem Josephsplatz wurde das Vaterunser jeweils zunächst auf griechisch, armenisch und aramäisch (der „Sprache Jesu“) gebetet, dann auf deutsch. Kuhn verwies zum Abschluss des Schweigemarsches – „stellvertretend für alle entführten Christen“ – auf die noch immer spurlos verschwundenen Metropoliten von Aleppo, Mar Gregorios Youhanna Ibrahim und Boulos Yazigi. Mar Gregorios sei noch kurz vor seiner Entführung in Wien gewesen; im Gespräch mit CSI-Sprecherin Pia de Simony sei deutlich geworden, dass er sich der Gefahr bewusst war, in der er schwebte.

Beim Schweigemarsch wurden zahlreiche Transparente – sowohl von CSI als auch von orthodoxen Gemeinden in Wien – mitgeführt, auf denen u.a. das „Menschenrecht auf Religionsfreiheit“ eingefordert, aber auch unmissverständlich festgestellt wurde: „Christenverfolgung sofort stoppen“.

Segnung eines Seitenaltars für verfolgte Christen mit modernem Golgotha-Gemälde

Beim abschließenden ökumenischen Gottesdienst des Schweigemarsches in der Augustinerkirche wurde am neuen „Altar für die verfolgten Christen“ ein Triptychon des nigerianischen Künstlers Samuel Palmtree gesegnet, das in eindrucksvollen Bildkompositionen das Leid der entführten, inhaftierten, gelynchten und gefolterten Christen in Afrika zeigt, zugleich aber auch die Weigerung der Gläubigen deutlich macht, den gekreuzigten Christus zu verleugnen, selbst wenn dies lebensrettend wäre. Pfarrer P. Matthias Schlögl verwies auf das Wort von Papst Franziskus von der „Ökumene des Blutes“, dem gemeinsamen Zeugnis der christlichen Märtyrer unterschiedlicher Konfession.

Reflexion des Märtyrertodes des algerischen Trappisten-Abtes Christian de Cherges

Im Anschluss an den Gottesdienst waren Texte frühchristlicher Märtyrer (begleitet von Noemi Tiercet und Peter Hudler) zu hören. Danach wurde der Märtyrertod des algerischen Trappisten-Abtes Christian de Cherges und seiner Mitbrüder im Jahr 1996 (mit dem musikalischen Hintergrund des Ensembles „Vocafonia“) reflektiert. Den Abschluss in St. Augustin bildete ein von Pfarrer P. Matthais Schlögl zelebriertes Requiem für die getöteten Christen von heute; die Messfeier wurde musikalisch von Chor, Solisten und Orchester von St. Augustin mit dem Requiem in d-Moll von Mozart gestaltet.

Leid der syrischen Flüchtlinge

In der Pfarrkirche zum Heiligen Franz von Assisi in Breitenfeld (Wien 8) stand in der „Langen Nacht“ vor allem die Situation in Syrien und das Leid der Flüchtlinge im Mittelpunkt. Unter dem Titel „Syrien muss leben“ diskutierten der Journalist und Friedensaktivist Leo Gabriel (der zuletzt im Februar in Syrien war), die seit 28 Jahren in Wien lebende syrische Christin Marie Therese Kyriaky, Gründerin des Vereins für arabische Frauen, und der griechisch-orthodoxe, aus Syrien stammende Theologe Waseem Haddad. Bereits vor der Diskussion wurde umfassend über die Situation in Syrien informiert, Frauen aus Syrien boten ein orientalisches Buffet und kunsthandwerkliche Produkte zur Unterstützung der Flüchtlinge an.

Gezeigte Dokumentarfilme über den Genozid an den Armeniern in der Pfarre der armenisch-apostolischen Kirche und im Mechitharistenkloster in Wien

Auch im Hinblick auf das 100-Jahr-Gedenken des 1915 begonnenen Völkermords an den armenischen Christen im Osmanischen Reich boten die armenischen Kirchen in Wien ein vielfältiges Programm an. In der armenisch-apostolischen Pfarrkirche St. Hripsime im 3. Bezirk begann die „Lange Nacht“ um 17.50 Uhr mit dem Glockengeläut. Anschließend kam die heilende Kraft der Kirchenmusik für die Seele zum Zug. Daran schloss sich die feierliche Liturgie in altarmenischer Sprache. Um 21.30 Uhr wurde im Gemeindesaal der im Rahmen der Aktion „Ich erinnere mich und verlange“ gedrehte Dokumentarfilm über den Genozid an den Armeniern ab 1915 gezeigt.

Bei den Mechitharisten – den armenischen Benediktinern – im 7. Bezirk war nach dem Rosenkranzgebet für den Frieden in der ganzen Welt die Vesper in der armenischen Tradition zu hören. Die spannende Geschichte der Mechitharisten in Wien und in der angestammten Heimat stand anschließend im Mittelpunkt. Um 21 Uhr wurde auch bei den Mechitharisten ein Film über den armenischen Genozid gezeigt.

Dechant Jakob Osundu Nwabor analysiert „Das Spannungsfeld zwischen Christen und Muslimen in Nigeria“

In der „Altkalksburger Vereinigung“, die im Amalientrakt der Hofburg angesiedelt ist, analysierte der Dechant von Poysdorf (der selbst aus Nigeria stammt), Jakob Osundu Nwabor, „Das Spannungsfeld zwischen Christen und Muslimen in Nigeria“. (poi)