Begriff

„Religiöse Verfolgung“ ist ein Sammelbegriff, der die verschiedensten Formen der Diskriminierung und Unterdrückung von einzelnen Gläubigen, ganzen Glaubensgemeinschaften und auch von sog. „Ungläubigen“ bezeichnet.

Spuren in der Menschheitsgeschichte

Verfolgungen aufgrund von religiöser Zugehörigkeit durchziehen die Menschheitsgeschichte wie ein blutroter Faden. Nationale, politische und religiöse Motive waren maßgebend. Kaum eine Religion wurde nur verfolgt, die meisten haben auch ihrerseits andere Religionen unterdrückt. Eine der wichtigsten Ausnahmen ist das Judentum, das als Volksreligion auch keine Missionierung kennt.

Beispiele weltweiter Verfolgung

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[tab_title] Judentum [/tab_title]
[tab_title] Christentum [/tab_title]
[tab_title] Islam [/tab_title]
[tab_title] Jesidentum [/tab_title]
[tab_title] Hinduismus [/tab_title]
[tab_title] Buddhismus [/tab_title]
[tab_title] Bahá’i [/tab_title]
[tab_title] Atheisten und Andersgläubige [/tab_title]
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[tab] shabbat_sinagoga_brit_brajaBereits in der Antike gab es Judenverfolgungen aus religiösen Motiven. Die Juden verweigerten sich dem Polytheismus und dem Gottkönigtum der antiken Umwelt und stellten damit die Wertorientierung und politische Einheit antiker Großreiche grundsätzlich in Frage.

Die Geschichte des mittelalterlichen Europa ist zugleich eine Geschichte der Judenverfolgungen. Durch Berufsverbote und Verbot des Landbesitzes mussten die Juden vor allem Geldleihergeschäfte übernehmen, denn für Christen galt das Zinsverbot. So kamen bei Pogromen und Vertreibungen zu den religiösen Motiven (Ritualmordvorwurf, Hostienfrevellegende, Brunnenvergiftungs-legende) auch noch handfeste ökonomische dazu. Mitunter wurde die Bevölkerung ganzer Landstriche nach der Beseitigung der Juden alle ihre Schulden los. Die größten Judenpogrome in Europa erfolgten während der Kreuzzüge im 12. und 13. Jahrhundert.

1280px-auschwitz_i_entrance_snowUnter dem Vorwand der Brunnenvergiftungs-Legenden gab es in der Neuzeit europaweit Massaker während der zahlreichen Pestepidemien ab dem 14. Jahrhundert. Hunderttausende Juden wurden umgebracht, blühende jüdische Gemeinden zerstört. Den Höhepunkt der Verfolgung von Juden bildete der Versuch ihrer vollständigen Ausrottung im Holocaust.

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Die Christenverfolgungen im Römischen Reich endeten erst mit dem sogenannten „Toleranz-Edikt“ Kaiser Konstantins 313 n.Chr.

Nach den ersten großen Erfolgen der Jesuiten im Japan des 16. Jahrhunderts konvertierten mehrere hunderttausend Japaner, darunter auch einige Fürstenfamilien. Ab dem 17. Jahrhundert wurde das Christentum dann schrittweise verboten. Als die Christen im Land dagegen protestierten, wurden über 40.000 Christen getötet. Erst 1873 wurde das Christentum wieder öffentlich zugelassen.

In Frankreich kam es in Folge der  Französischen Revolution 1789 zu  Enteignungen, Deportationen und Hinrichtungen von Priestern. 1793 wurde für einige Jahre die Religionsfreiheit widerrufen und das Christentum verboten.

Ende des 19. Jahrhunderts kam es im damaligen Osmanischen Reich (der heutigen Türkei) zu einem Blutbad an den christlich-orthodoxen Armeniern. Der Genozid von 1916 traf etwa 1,3 Millionen Christen, von denen zwei Drittel umkamen.

In Spanien kam es in der zweiten Spanischen Republik 1931-1936 zu Christenverfolgungen, denen mehrere Tausend Priester und Laien zum Opfer fielen.

Eine systematische Christenverfolgung hat es im Dritten Reich (1933-1945) in Deutschland nicht gegeben. Im Kriegsverlauf verschärfte der Staat aber Maßnahmen gegen die bekennenden Teile der Kirchen. Letztlich kamen viele katholische Priester und Ordensfrauen sowie evangelische Pastoren in den KZs um. Im Zuge des Holocausts wurden auch zum Christentum übergetretene Juden ermordet, darunter die Philosophin und katholische Nonne Edith Stein, die 1998 als Märtyrerin heiliggesprochen wurde.

In China kam es bereits 1900 während des Boxeraufstands gegen die europäischen Kolonialmächte im damals noch kaiserlichen China zu einem Massaker an Christen. Unter Mao Tse Tung siegte in China 1949 der Kommunismus, der den Atheismus als Teil der Staatsdoktrin definierte: Alle Religionen wurden unterdrückt, Christen und andere Gläubige verfolgt und ermordet. Eine vom Staat gelenkte katholische Staatskirche wurde jedoch zugelassen. Erst in jüngster Zeit kommt es zu einer Annäherung an die katholische Weltkirche.

In den ehemaligen Ostblockstaaten begannen die Einschränkungen der Religionsfreiheit in Russland mit der Oktoberrevolution 1917. Zwischen 1917 und 1940 wurden 96.000 Priester, Mönche, Nonnen und kirchliche Mitarbeiter erschossen. Fast alle Kirchen wurden geschlossen. Die Verfolgung speziell der Katholischen Kirche in der Tschechoslowakei zählt nach Albanien (in dem 1967 das totale Religionsverbot erlassen wurde) zu den schwersten Christenverfolgungen der kommunistischen Ära im europäischen Raum. Erst in Folge der innenpolitischen Reformen unter Gorbatschow wurden die letzten  Restriktionen gelockert. [/tab]
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Immer wieder kommt es auch zu Gewaltexzessen gegen Muslime. So wird zum Beispiel staatlicherseits die Volksgruppe der Uiguren in China verfolgt. Die etwa 8 Millionen Muslime werden vom chinesischen Regime mit Argusaugen beobachtet. China fürchtet eine Unabhängigkeitsbewegung und das Erstarken islamischer Fundamentalisten. Die Sicherheitskräfte agieren gegen die Muslime mit großer Härte.

In Myanmar, dem ehemaligen Burma (ca 50 Millionen nahezu ausschließlich buddhistische Einwohner), sind es buddhistische Gruppen, die gegen die islamische Minderheit der etwa 1,2 Millionen Rohingya, vor allem im Norden des Bundesstaats Rakhine, hetzen und zu Pogromen aufrufen. Inzwischen haben weit mehr als 300.000 ihr Land bereits verlassen und Zuflucht in Nachbarländern gesucht. Die Regierung akzeptiert sie nicht als Staatsbürger, sondern bezeichnet sie als illegale Einwanderer aus Bangladesch und versucht, sie als «Bengalis» zu registrieren. Die Vereinten Nationen nennen die Rohingya eine der am meisten verfolgten religiösen Minderheiten der Welt.

In Indien nimmt die Gewalt fundamentalistischer Hindus gegen Christen und Muslime zu. Besonders seit dem Amtsantritt des rechtskonservativen Premierministers Modi (seit 2014 im Amt) hat sich die Lage für religiöse Minderheiten in dem Land verschärft. Hinduistische Vereine im Umkreis der Hindupartei Modis treten für ein rein hinduistisches Indien ein – Christen und Muslime sind die ersten Opfer von Ausschreitungen.

Auch innerhalb des Islam gibt es massive Verfolgungen. Besonders Sunniten und Schiiten bekämpfen sich gegenseitig. Im Irak kommt es immer wieder zu massiven Übergriffen und Attentaten der einen gegen die andere Richtung im Islam – ebenfalls in Saudi-Arabien, wo etwa 15% der Einwohner nicht den regierenden Sunniten, sondern den Schiiten angehören. Sie sind an den gesellschaftlichen Rand gedrängt. Und im Jemen bombardiert Saudi-Arabien die schiitischen Rebellen aus Angst, es könnte an ihrer Grenze ein schiitischer Staat entstehen.

Und im sog. „Islamischen Staat“ (IS) sind auch sunnitische Muslime ihres Lebens nicht mehr sicher, wenn sie nicht die verquere und menschenverachtende Koraninterpretation der Terroristen teilen. [/tab]
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Das Jesidentum versteht sich als Ursprungsreligion der Kurden und entstand nach den Überlieferungen um 2000 v. Chr. Es ist eine monotheistische Religion, die jedoch nicht auf eine heilige Schrift, sondern fast nur auf mündliche Überlieferung beruht. Die Jesiden sind hauptsächlich in Nordirak und Nordsyrien sowie in der südöstlichen Türkei angesiedelt. Ihr wichtigstes Heiligtum im Lalisch-Tal (60 km nördlich der irakischen Stadt Mosul) ist die Grabstätte ihres Heiligen, Scheich Adī ibn Musāfir (1073-1163). Das jesidische Volk betrachtet ihn als Inkarnation Gottes Engel („Melek Taus“). Gottes Engel wird als blauer Pfau dargestellt und ist für die Jesiden von zentraler religiöser Bedeutung.

Jesidinnen wie Vieh behandelt

Da die islamischen Fundamentalisten „Melek Taus“ mit Satan identifizieren, wurden die Jesiden seit der Okkupation des sog. „Islamischen Staates“ (IS) im August 2014 in Nordirak Opfer eines andauernden Völkermordes, wie es u.a. auch neue Massengräber von Jesiden in der Umgebung bezeugen. Rund 2.500 junge Jesidinnen wurden nach Mosul entführt (die Dunkelziffer liegt viel höher), dort auf einem „Sklavenmarkt“ wie Vieh verschachert und für einen Bruchteil der Kosten einer christlichen Sklavin verkauft. [/tab]
[tab] Historisch hat vor allem die Eroberung des heutigen Indien durch den Islam (ab dem achten Jahrhundert) eine konsequente Verfolgung von Hindus und Buddhisten bedeutet. Zeiten des interkulturellen Austausches wechselten mit blutigen Pogromen an Hindus und Buddhisten ab. Heute werden in Afghanistan und in Bangladesh Hindus und Sikhs schwerstens religiös schikaniert und diskriminiert. Die öffentliche Religionsausübung nach dem traditionellen Ritus ist den Hindus unter Strafandrohung auf Basis der islamischen Scharia verboten. [/tab]
[tab] Der Buddhismus erlebte seine ersten Verfolgungen in Indien bereits im zweiten vorchristlichen Jahrhundert: Der Sage nach gab es Kopfgeld für jeden abgeschlagenen Mönchskopf. Seit dem achten Jahrhundert kam es im Gefolge der islamischen Invasionen zu Massakern aufgrund des islamischen Bilderverbots. In China gab es vor allem im Rahmen der Kulturrevolution Mao-Tse-Tungs einen nachhaltigen Kampf gegen den chinesischen Buddhismus und jede andere Religion. [/tab]
[tab] Die Angehörigen der Bahá’i-Religion (mit ihren rund 300.000 Gläubigen die größte nichtmuslimische religiöse Minderheit im Iran) werden seit ihrer Entstehung systematisch verfolgt und entrechtet. Führende muslimische Geistliche sprechen den Bahá’í (die übrigens großen Wert auf Bildung legen, Anm.) sogar das Existenzrecht ab. Das gewählte siebenköpfige Leitungsgremium der Bahá’í wird seit 2008 willkürlich gefangen gehalten. Die zwei Frauen und fünf Männer waren 2010 ohne Urteilsbegründung zu jeweils 20 Jahren Gefängnis verurteilt worden. [/tab]

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Die gemeinsame Religion in einem Staat wurde immer wieder als stark identitätsstiftend und daher politisch relevant gesehen, weshalb man Außenseiter, wenn nötig auch mit Gewalt, in die jeweilige religiöse Gemeinschaft einzugliedern suchte. Seit den Zeiten des Römischen Reiches gab es einen Kampf gegen heidnische Kulte, ihre Angehörige mussten mit Verbannungen und sonstigen Diskriminierungen rechnen.

Im Zug der großen Missionierungswellen in Europa kam es zur Praxis von Zwangstaufen, etwa bei den Sachsen (Ende des achten Jahrhunderts) und bei den Franken, verbunden mit der Zerstörung heidnischer Heiligtümer.

Ab dem achten Jahrhundert breitete sich der Islam bis nach Spanien und Indien aus. Im Allgemeinen verhielten sich die Eroberer den Juden und Christen, den Angehörigen von „Buchreligionen“ (also Religionen, die sich auf das Alte Testament berufen, das auch Mohammed wertschätzte) gegenüber, tolerant. Alle anderen galten als Ungläubige, die hohem Druck ausgesetzt waren. Nie war aber ein Religionswechsel vom Islam zu einem anderen Glauben ohne massive Bestrafungen (häufig die Todesstrafe) möglich. [/tab]
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